Wie alles begann vom Runden Tisch bis heute
Netz Heidenrod ist ein gemeinnütziger eingetragener Verein. Sein Ziel ist es, in sozialen Härtefällen auf freiwilliger Basis Hilfe zu leisten. Die Idee geht auf das Jahr 2005 zurück, als sich im kirchlichen Bereich die Erkenntnis durchsetzte, dass es in Deutschland trotz des Wirtschaftswunders Not gibt und es deshalb erforderlich ist, gemeinsam zu den brandaktuellen sozialen Themen aktiv Stellung zu beziehen.
Mitglieder der katholischen wie der evangelischen Gemeinden und interessierte Heidenroder Mitbürger/innen haben sich am „Runden Tisch Heidenrod“ zusammengefunden und die Lage in den Ortsteilen diskutiert. Hierbei ist eine Vielzahl ganz konkreter Problemfälle in Erscheinung getreten. Um diesen erfolgreich begegnen zu können, erschien ein systematisches Vorgehen als notwendig. So ergab sich ein dringender Bedarf an bezahlbarer Kleidung. Viele Mitbürger/innen klagten über mangelnde Mitfahr- und Begleitgelegenheiten. Auch ganz konkrete unverschuldete Geldnotfälle taten sich auf. Es fehlte an diversen Sach- und Dienstleistungen. Auch zeigten sich Lücken in der Alten- und Jugendpflege. Es drängte sich der Plan auf, eine feste Institution zu schaffen, die sich für die Abhilfe dieser und sonstiger Notlagen auf ehrenamtlicher Basis zuständig fühlt.
Am 06.04.2006 wurde in Anwesenheit von 31 Gründungsmitgliedern der Verein „Netz Heidenrod“ aus der Taufe gehoben. Es folgten Jahre des Aufbaus und der Schaffung wirksamer Leistungsstrukturen.
Wie kommt man an preiswerte Kleider und sonstige Gebrauchsgegenstände, wie an eine Notkasse und an freiwillige Helfer-innen? Die Gründungsmitglieder hatten die Idee, dass die in Deutschland verbreitete Wegwerfmentalität auch wohltätig nutzbar sei. Wer geneigt ist, seine Gebrauchsgegenstände stets auf neustem Stand zu halten, kann auch bereit sein, die ausrangierten Sachen wohltätigen Zwecken zur Verfügung zu stellen; denn er wird die nutzlos gewordenen Dinge los, befreit sich von dem Unbehagen, noch Brauchbares, ja sogar Wertvolles wegzuwerfen und kann sich zugutehalten, ein gutes und nützliches Werk getan zu haben.
Die an Netz Heidenrod gegebenen Gegenstände werden nämlich von freiwillig tätigen Mitarbeiterinnen gerne entgegengenommen. Sie sichten die Sachen, sortieren sie und ordnen sie ihrer Zweckbestimmung nach ein, um sie Interessierten gegen eine kleine Geldspende von 0,5 bis 5,- € zum Erwerb anzubieten. Der Erlös hieraus sowie sonstige Spenden und die Mitgliederbeiträge fließen in die Netz-Notkasse. Aus dieser zahlt Netz nach Abzug seiner Aufwendungen für unvermeidbare Kosten Hilfeleistungen an in Not geratene oder sonst bedürftige Heidenroder Bürger/innen.
Das Konzept der Gründungsmitglieder erwies sich als richtig. Die Spenden- und Hilfeaufrufe des Netz fanden regen Zuspruch. Der Spendeneingang und die Hilfsbereitschaft waren überwältigend. Sie führten allerdings auch zu erdrückenden Raumproblemen. Denn die Aktivitäten des Netz vollzogen sich anfangs quasi wie ein umherziehendes Gewerbe. Doch dieses Vorgehen war sehr zeit- und kraftaufwendig. Der Ruf nach einem festen Geschäftsort und einer geordneten Lagerhaltung wurde laut.
Mit Zustimmung des evangelischen Kirchenvorstands eröffnete Netz am 08.12.2007 im Keller des ev. Pfarrhauses in Laufenselden ein Ladengeschäft. Der Shop ist seit dem für jedermann regelmäßig geöffnet und erfreut sich wachsender Beliebtheit.
In diesem Pfarrhauskeller-Shop herrschte von Anfang an eine Atmosphäre menschlich fürsorglicher Begegnung. Das ehrenamtliche Engagement der im Shop Tätigen bewirkte eine besondere Ausstrahlung. Der Geschäftsbetrieb weitete sich aus, und es kam zu vielen guten Gesprächen.
Diese Entwicklung setzte sich verstärkt fort, als der Vorstand im November 2008 das heutige Geschäftslokal in der „Rudolf Diez Straße 10“ anmietete und zum Umzug blies.
Die neuen Räumlichkeiten ermöglichten ein erweitertes Sortiment, das ständig durch die vermehrten und vielgestaltigeren Spendeneingänge aufgefüllt und zum Erwerb angeboten wurde. Die Öffnungszeiten des Netz-Shops erhöhten sich auf insgesamt 9 Stunden an 4 Tagen in der Woche. Die Zahl der ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen stieg auf über zwanzig. Die Zahl der Vereinsmitglieder wuchs um mehr als das Doppelte.
Der Bedarf an Nothilfeleistungen ist im Laufe der Jahre nicht geringer geworden. Die vermehrte Flüchtlingsaufnahme seit 2015, die Pandemie und die inflationsbedingte Teuerung durch den Krieg in der Ukraine lassen dies auch für die Zukunft nicht erwarten. Netz hat sich dem angepasst und in Kemel vor allem für die dort untergebrachten Flüchtlinge in der Taunuskaserne eine Kleiderkammer eingerichtet. Diese ist ebenfalls für jedermann geöffnet und praktiziert eine der Netz-Idee entsprechende Wirkung und Ausstrahlung.
Insgesamt hat Netz inzwischen mehr als 150.000,00 € an Hilfeleistungen ausgezahlt und in einer Vielzahl von Fällen Menschen geholfen, sich aus Notlagen zu befreien.
Wer sind die Mitglieder und Mitarbeiter/innen des Vereins und welche Beweggründe leiten sie? Grundsätzlich ist jede Heidenroder Bürgerin, jeder Heidenroder Bürger als Mitglied und oder Mitarbeiter/in im Netz willkommen. Der heutige Personalbestand des Vereins spiegelt auch die gesamte Heidenroder Bürgerschaft im Alter von 40 bis über 90 Jahren und im Durchschnitt von 65 Jahren wider. Alle Beteiligten fühlen sich der Zweckbestimmung des Vereins eng verbunden und haben den Wunsch, ehrenamtlich als Mitglied im Grundsätzlichen und als Mitarbeiter/in durch tätige Hilfe zur Erreichung der Vereinsziele beizutragen. Dies geschieht auf unterschiedliche Art und Weise. Dementsprechend gestaltet sich auch das Engagement der Beteiligten.
Einige konzentrieren sich auf die Vereinsmitgliedschaft, die sich überwiegend in der Mitgliederversammlung vollzieht und den Bestand des Vereins sichert.
Andere haben lediglich den Wunsch, sich ehrenamtlich im Sinne des Vereinszwecks nützlich zu machen.
Die meisten Mitarbeitenden bevorzugen eine Tätigkeit, bei der sie mit Menschen in Kontakt kommen. Diesem Anliegen trägt der ehrenamtliche Umgang mit Shop-Nutzern in besonderer Weise Rechnung. Der Kundenservice wird in der Regel durch feste Gruppen am jeweiligen Öffnungstag geleistet. Diese Gruppen kennzeichnet die verlässliche und engagierte kontinuierliche Ausübung des Ehrenamtes, die darauf abzielt, den aktuellen Hilfebedarf richtig zu verstehen und optimal zu erfüllen. Der Lohn hierfür ist die Freude der Gruppenmitglieder am Erfolg, die persönliche Harmonie im Umgang mit den Shop-Benutzern aus allen Bevölkerungskreisen Heidenrods. Dies bewirkt ein persönliches Geschäftsklima, das häufig zu interessanten Gesprächen mit den Kunden führt.
Die Mitarbeitenden halten auch untereinander Kontakt, treffen sich zum gemeinsamen Pizzaessen und zum Erfahrungsaustausch. Sie bilden eine Art Interessengemeinschaft, die sie zufriedenstellt und der sie oftmals jahrelang angehören.
Für diejenigen, die Interesse an einer Mitarbeit haben, bietet Netz die Möglichkeit an, einige Tage ganz unverbindlich auf Probe mitzuarbeiten, um herauszubekommen, ob und gegebenenfalls welch eine Verwendung im Netzbetrieb sinnvoll ist.
Hans-Jürgen Bertram